By Holger Melms
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Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
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Å,å = Aa,aa    ø=ö

“Lebensborn”

 

Um das Thema zu verstehen, kann es dienlich sein zu wissen, das ein gewisser Adolf und seine Anhänger zwischen sich und Karnickeln keinen Unterschied sahen.

Die Methoden, erstklassige Karnickel zu züchten kann man folglich auch dazu benutzen, um erstklassige Mitglieder der neuen deutschösterreichischen Herrenrasse (ich weiß, was ich da schreibe) zu erzeugen.

Das geht so:

Man verwendet die seit historischer, womöglich schon vorhistorischer Zeit üblicherweise entstehenden Produkte der Affinität zwischen Besatzungsböcken und meist jungen Weibchen des unterworfenen Landes zur Zucht. Man kann da sogar noch ein wenig Aufmunterung geben, wenn es sich um nordische, also rassereine Weibchen handelt. (S. 46 unten) Wobei zu fragen wäre: Wären Österreicher überhaupt rasserein?

Damit wäre das Basismaterial vorhanden. Fehlt nur noch die Organisation für die Aufzucht wie

  • Mütterheime (zur Betreuung der schwangeren Weibchen in Bezug auf die deutsche Sprache, die deutsche Weltanschauung. Kinderpflege, u.a. (S.50 oben).  
  • Entbindungsheime, selbstverständlich mit rein deutschem Personal, wie in den anderen Heimen auch.
  • Mütterheime, in denen Mutter und Kind bis zu 6 Wochen nach der Entbindung wohnen können.

Das wäre also geregelt. Nun kommt es darauf an, an wen das Kind zur Weiterzucht gegeben wird:

  • zur Mutter, sofern diese es versorgen will, unter sorgfältiger Überwachung und unter Gabe eines Kinderlohns, oder
  • den Eltern, soweit diese bereit sind zu heiraten - was selten vorkam; etwa 400 Paare (rund 5%) heirateten, meist in Deutschland, oder
  • dem deutschen Volk im allgemeinen, sofern die Mutter das Kind zur Adoption freigibt.

Dummerweise endet der Krieg für die Lebensborn-Herren unglücklich, was aber in den meisten Fällen ein viel größeres Unglück für die Zuchtprodukte, die in Norwegen erst nach vielen Auseinandersetzungen keine pejorative Bezeichnung erhielten sondern den internationalen Konventionen folgend “Kriegskinder” (krigsbarn) genannt wurden. Deren Anzahl: knapp 9000.

Nur eine der nun folgenden Prozeduren war, dass die von Deutschen adoptierten norwegischen Kinder erst nach Jahren (das Thema war in Norwegen auf die lange Bank geschoben worden) aber nach internationalen Konventionen diesen deutschen Familien “entnommen” wurden (S.7).

Sie kamen zurück nach Norwegen, also in das Land, in dem man sie als Schande für die norwegische Nation betrachtete.

Der “Fall”, der in dem zitierten Buch* geschildert wird: ein 1942 geborenes Mädchen namens Turid (in Norwegen) und Elke (in Deutschland), kommt erst 1948 von ihren deutschen Adoptiveltern zu norwegischen Adoptiveltern, die ebenso wenig wie es selbst die wahren Erzeuger kennenen, noch die deutschen Adoptiveltern.

Als 42-Jährige macht sich Turid auf die Suche nach ihren fehlenden ersten sechs Lebensjahren. Es wird ein Hindernislauf durch norwegische Behörden, der nur in Zusammenarbeit mit einer Journalistin (der Buchautorin) zum Erfolg führt.

Ihre deutschen Adoptiveltern nehmen sie mit Begeisterung in Empfang. Ihr leiblicher Vater, der in Ostdeutschland wohnt (das Buch erschien 1986), verweigert jeden Kontakt, ebenso wie die leibliche norwegische Mutter. (Die deutschen Lebensborner haben akribisch Buch geführt und diese Informationen am Kriegsende nicht vernichtet, was vielen der betroffenen Kinder - und Mütter - erst zum Verhängnis wurde, da sich - bis heute(!) -nichts unter dem Mantel des Vergessens verbergen ließ.)

Das Schicksal der Turid hat noch einen gewissen Happy-End-Effekt, viele andere Kriegskinder nahmen sich das Leben. Insgesamt ist das Thema weder für die Deutschen noch für die Norweger unter der Rubrik “Christliche Barmherzigkeit” abzuhandeln.

Das Buch, aus dem ich zitiere, beschreibt den Fall der Turid noch recht neutral und ergebnisfroh.

 

Kjell Fjörtoft geht mit den Norwegern da wesentlich strenger ins Gericht. (“Tysker-jentene” (Deutschen-Flittchen) ab Seite 41 in “Oppgjøred som ikke tok slutt”, 1997.)

Auf Seite 46 wirft er einer Kommission, die im November 1945 für das weitere Schicksal der Kriegskinder Vorschläge erarbeiten sollte, vor, ihre Bewertung der “Deutschenkinder” ließe sich direkt auf die Rassetheorien der Deutschen über die Juden zurückführen:

“Det står helt klart for denne forfatter at utvalgets medlemmer fremfører synspunkter på arvelige egenskaper som kan føres direkte tilbakke på tyskernes raseteorier om jødene.”

Dieser Vorwurf basiert auf der auf Seite 45 zitierten Befürchtung, dass “das Erbmaterial der deutschen Väter so dominierend sei, dass mit einem wenig wünschenswerten marschierenden und kommandierenden Einschlag im (norwegischen) Volk zu rechnen ist.” ... “Auch die Chromosomen der Mütter taugen nichts”. (Komprimiert übersetzt.) Der Originaltext lautet:

“... at folk flest “synes å legge stor vekt på den påstand at det tyske arvestoffet er så dominerende at disse barna vil komme til å representere et lite ønskelig marsjerende og kommanderende innslag i folket. ... Hva arvestoff angår, må en i tilfelle anta at den lettfeldige mors kromosomer er de minst heldige. De barneanstalter som har hatt med disse barna å gjøre, er helt på det rene med at mødrene er lite verdifulle ... ”

Ich will hier nicht die ganze Problematik ausbreiten sondern nur das beschreiben, was ich bisher zwar gehört aber nie verstanden hatte: den Begriff “Lebensborn”.

In dem Buch von Veslemøy findet sich das deutsche Zitat eines Herrn Heinrich H.: “Ich habe wirklich die Absicht, germanisches Blut zu stehlen und zu rauben, wo ich kann.” Als Karnickelzüchter wäre dieser Herr zum Alptraum für seine Vereinskameraden geworden.

 

“tyskertös” war die Bezeichnung der Norweger - besonders nach dem Krieg - für diejenigen Frauen unter ihnen, die ein Verhältnis mit deutschen Soldaten hatten. . “tysker” = deutsch, “tös” = Dirne, Nutte laut Wörterbuch.

 

 

 

*Veslemøy Kjendsli, Skammens barn, Dokumentarrom an, METOPE 1986, 120 Seiten, ISBN 82-403-0008-1

Zum Thema gut passend:

Deutsche Festungen als Attraktion!

 

In einer ansprechend aufgemachten, achtseitigen Broschüre des norwegischen “Nationalen Festungswerks” (www.nasjonalefestningsverk.no) sind so altehrwürdige norwegische Festungen wie Vardöhus, Oscarsborg, Akershus, Bergenhus aufgeführt.

Und dann folgt eine Festung mit einer “einzigartigen” Trippelkanone mit einer Reichweite von 38 km. “Montiert von der Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg”.

Damit nicht genug. Nach einer ebensfalls deutschen Festung “Batterie Vara” folgt eine dritte Festung in Trondenes: “Adolf-kanonen i vakker natur” (Die Adolf-Kanone in schöner Natur). Eine Kanone mit der größten Reichweite der Welt (56 km), die auf den hübschen deutschen Namen Adolf hört. Leider wird nicht gesagt, nach welchem Adolf sie benannt wurde oder warum sie gerade Adolf und nicht Egon heißt.

Welch eine Doppelmoral! Norwegerinnen, die als Krankenschwestern für das Rote Kreuz unter Deutscher Regie gearbeitet hatten, wurden unter Bruch der Genfer Konventionen verurteilt. (Kapitel “Da Norge brøt Genève-konvensjonen” Seite 223, Oppgjøret som ikke tok slutt, 1997.) Ebenso verweigert man den des Landesverrats Angeklagten aber freigesprochenen Frauen, die nach dem Krieg einen “sauberen” Norweger geheiratet hatten, nach dessen Tod die Kriegswitwenrente unter Hinweis auf den Verdacht(!) der Zusammenarbeit mit dem Feind. (Seite 48 im Kapitel “Deutschen-Flittchen” ebenda.)

Ein gewisser Adolf H. wäre sicher dankbar für die Ehre und Würdigung seiner Leistungen, die man ihm in Harstad zukommen lässt. (Sollten die Norweger schon vergessen haben, wie der Führer der Armee hieß, die sie im Zweiten Weltkrieg angriff und besetzte?)

 

Geschrieben in Harstad, 2006.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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10.11.2008

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