© Holger Melms
2003-2007


Hekkingen 2006

- Diese Seite wird 2008 gelöscht -
 

 

2003 war der nächtliche Besuch des “Mannes auf Hekkingen” der Höhepunkt des Törns. 2004 bekam ich mein Dieselleck nicht in den Griff und vermied abgelegene Gebiete. 2005 bin ich nicht nach Norden gesegelt. Dieses Jahr wollte ich unbedingt wieder nach Hekkingen.

 

Im Frühjahr, während meiner Törnplanung, erhielt ich einen Hinweis von Vidar (aus Alta), dass Hekkingen verkauft sei. Kurze Zeit später wusste ich auch, an wen. Damit war für Monate sichergestellt, dass ich beim Gedanken an Hekkingen übellaunig wurde.

Zunächst fand ich im Internet folgende Zeitungsnotiz unter http://www.dagbladet.no/nyheter/2006/05/30/467652.html:

 

Heyerdahl kjøper Fjørtoft-paradis - Dagbladet.no

SOLGTE MED FORTJENESTE: forfatter, filmprodusent og journalist, Kjell Fjørtoft solgte Hekkingen til Jens P. Heyerdahls barn

FOTO: KAJA BAARDSEN

Barna til Jens P. Heyerdahl har kjøpt øya Hekkingen nord for Senja. Prisen er 6,1 millioner kroner, 3,1 millioner over takst.

ULF ANDRÈ ANDERSEN, FRODE HANSEN

Tirsdag 30.05.2006, 23:49  oppdatert 00:52

Selger er forfatter, filmprodusent og journalist, Kjell Fjørtoft.

- Jeg er i høyeste grad fornøyd med salget. Øya har betydd det meste for meg, sier Fjørtoft til Dagbladet.no. Forfatteren vil ikke kommentere hvem som har kjøpt eiendommen. Fjørtoft kjøpte øyparadiset i 1966.

Dagbladet.no får bekreftet av kilder i eiendomsbransjen at det er barna til Jens P. Heyerdahl, Jens P. Heyerdahl d.a.y og Mari-Ane Røed Heyerdahl, som har kjøpt eiendommen.

http://www.aftenposten.no/english/business/article763601.ece?service=print

(Some english statements about Jens P. Heyerdahl, plus Foto.)

Øya Hekkingen utenfor Senja er på drøyt 800 dekar, hvorav Fyrvesenet har 45 dekar. I tillegg følger et stort antall holmer og skjær og fine badestrender med på kjøpet. Øya er en av de mest spesielle fritidseiendommene som er lagt ut for salg i Norge.

Eiendomsmegler Jørn T. Nerdal hos Notar Eiendom i Tromsø sier at taksten var på tre millioner.

- Det var en langsom prosess helt til man tok fatt på selve budrunden. Når man først kom i gang, gikk det ganske fort. Eiendommen ble solgt for 6,1 millioner kroner. Det er en unik eiendom med en unik historie, sier Nerdal, som heller ikke vil kommentere hvem som har kjøpt eiendommen.

Kjell Fjørtoft har skrevet tre av sine 19 bøker på skrivemaskin på Hekkingen.

- Jeg var en «urolig» journalist og har skrevet kontroversielle bøker. Til tider var det en knallhard påkjenning. Da var det godt å komme til Hekkingen. Hvis jeg ikke hadde hatt Hekkingen, tror jeg ikke jeg hadde hatt balansen i meg til å skrive bøkene, sier Fjørtoft, som understreker at det har vært viktig å finne en kjøper som vil ta vare på stedet og på fuglene.

 

Zu deutsch: Der Verfasser, Filmproduzent und Journalist Kjell Fjörtoft hat sein Inselparadies Hekkingen verkauft. Fjörtoft habe drei seiner 19 Bücher auf einer Schreibmaschine auf Hekkingen geschrieben. Die Insel sei das außergewöhnlichste Freizeiteigentum, das je in Norwegen zum Kauf angeboten wurde. Der Preis: gefordert 3 Millionen Kronen, gezahlt 6,1 Millionen Kronen. Der oder die Käufer seien die Kinder von Jens P. Heyerdahl.

Fjörtoft konnte 1966 auf Grund seiner Heimatverbundenheit  die Insel von zwei älteren Damen kaufen.

 

 

In dieser Internet-Notiz - die wie üblich in einiger Zeit gelöscht sein wird, daher die Kopie - findet sich auch ein Bild von Kjell Fjörtoft, das von den scheußlichen Farben befreit unter 2003 Senja / Hekkingen steht, also unter dem Jahr, an dem ich ihn traf.

Vielleicht wundert sich jemand über meine Schlechte-Laune-Bemerkung. Der Grund: zu meinen deprimierenden Erfahrungen an der Südküste Norwegens mit den oft rücksichtslos errichteten Neureichen-Bauten passten die Bemerkungen über die Versuche der Familie Heyerdal - im Internet findet sich so manches -, Bauauflagen zu unterlaufen und der nicht so recht gloriose Abschied des Jens P. Heyerdahl aus dem Vorstand einer großen Firma (Orkla).

 

Ich befürchtete daher, in Hekkingen Bagger und Baumaschinen beim Bau eines Hafens und einer Protzvilla anzutreffen. Und selbstverständlich einige Riesenschilder mit der Aufschrift “Privat”.

Im Prinzip wurde diese Vermutung von Kjell Ove bestätigt. Unter anderem soll der Preis der Insel so in die Höhe geschnellt sein, weil sich, wie Bill Maher einfühlsam formuliert, “two powerhungry pricks” (dort Saddam/Bush) die Insel sichern wollten. Es ging also ums Prestige. (6 Mill. Kronen sind rund 1,5 Jahresgehälter des neuen Besitzers, juristisch genauer, des Vaters der neuen Besitzer.)

Den neuen Hafen sieht Kjell Ove ebenso wie ich, die Villa auch, aber solange nicht, wie Fjörtoft lebt. Dazu passt auch, dass Fjörtoft den Sommer auf der Insel verbracht habe.

 

Aus einer ganzen Reihe von Gründen gab es wohl auch keinen geeigneten Erben und wohl auch keinen Käufer aus dem lokalen Umfeld des von allen Seiten mistrauisch, möglicherweise misgünstig beobachteten Schicksals der Insel.

 

Nach weiteren Details, die ich bei der erwähnten Tasse Kaffee auf der Terasse des Kurs- og Feriesenter erfuhr, erschien mir der Verkauf von Hekkingen nicht mehr so dramatisch. Es ist halt der Lauf der Welt, dass manche Dinge weder sinnvoll vererbt noch ewig existieren können. Zwei Details lassen vermuten, dass Fjörtoft sich bemühte, den Käufer nach seinen Kriterien (Erhalt des Anwesens und der Vogelwelt*) auswählen zu können: im Maklervertrag soll festgelegt gewesen sein, dass nicht an den Meistbietenden verkauft werden muss. In der Familie des Käufers soll es  eine Bindung an die Nordküste der Insel Senja geben.

* “en kjøper som vil ta vare på stedet og på fuglene.”


 

 

Die 6 Millionen Kronen Insel (dunkelgrün) vor der Bergkulisse von Senja. Rechts die Gebäude des Leuchtfeuers (,die dem Staat gehören und an Kjell Ove vom Kurs og Feriesenter verpachtet sind) und die (schwarze) Varde auf dem höchsten Punkt der Insel. Die Gebäude (der alte Fischerort) liegen jenseits der Varde am Sund zwischen Hekkingen und Senja.
 

 

 

Da ich mich noch sehr gut an die Lage aller möglichen Festmacher vor dem Haus erinnere, weiß ich, wo und wie ich PHINE mit ihrem Tiefgang von 1,80 m in dem seichten Wasser ohne Anker vertäuen kann. (Ich muss auch bei aufkommendem Starkwind und der immer vorhandenen Strömung im Sund schnell und sicher ablegen können.)

10 m Leine auf Slip mit Karabinerhaken zum leichten Lösen auch unter Zug. Erst dann 60 m einfache Leine, um mit der zweiten 60 m Leine den Eisenpfahl ebenfalls auf Slip zu erreichen.
 

 

30. August 2006   17:31   PHINE im Hekkingensund

 

Am späten Nachmittag stehe ich also an Land und kann in Ruhe meinen Inselrundgang beginnen. (Das rote Haus im Hintergrund steht auf einem Platz, für den ich in den Seekarten die Bezeichnung Lyngsvaer und Giske gefunden habe.)
 

 

 

“Das Haus des alten Mannes auf Hekkingen, der alles über den Krieg weiß.” Unter dieser Prämisse war ich 2003 zum ersten mal hierher gekommen.

Links der Bootsschuppen, in dessen Nähe damals das Schild “Kjell Fjörtoft Plass” stand. Damals, das ist am 30. Juli 2003 abends um Zehn, war ich jenseits des Bootschuppens “angelandet” und von Tausend wütenden Möven begrüsst worden. Diesmal war kein einziger Vogel auf der ganzen Insel. Symbolisch? Kjell Fjörtoft war jedenfalls nicht (mehr) anwesend aber noch präsent, wie das letzte Foto in diesem Kapitel zeigt.
 

 

 

In dem Buch “Min Öy i havet” hat Fjörtoft die Geschichte dieses Hauses soweit beschrieben, wie sie sich noch rekonstruieren ließ. Es wurde um 1790 gebaut (S.31) und hatte in den über 200 Jahren viele Besitzer, von denen die wenigsten hier wohnten. Man setzte Verwalter ein, die die Interessen des Besitzers gegenüber den rund Hundert Fischern vertraten, die die Insel in der Fischfangsaison bevölkerten. 
 

Seitenangaben für das zitierte Buch.

 

Vor drei Jahren begrüsste mich in dieser Tür der “Alte Mann von Hekkingen”. Es scheint eine Übereinkunft mit dem neuen Besitzer zu geben, dass er das Haus weiterhin bewohnen darf, wie die noch immer vorhandenen persönlichen Gegenstände und die Bemerkung von Kjell Ove vermuten lassen.
 

 

 

Das gesamte “Anwesen”. Man sollte nicht an irgendeine Idylle glauben. Rechts neben der Tür ist eine der vier schweren Eisenketten zu erkennen, mit denen das Dach gegen Stürme gesichert ist. Und die Früglingsstürme können ein schweres Ruderboot leicht einige Meter in die Luft reißen. (S.63)
 

 

 

Eine solide Verankerung der Dachketten, die bei Sturm gegen die Bretterwände schlagen. - Eine Villa aus modernem Material und geeigneter Konstruktion mag schon einem Sturm in Orkanstärke (S.22) gewachsen sein. Aber werden es auch die Nerven ihrer - vermutlich städtischen - Bewohner sein, in der Gewissheit, bei Sturm weder die Insel verlassen noch Hilfe von außerhalb erwarten zu können?
 

 

 

Es geht, aber es tut kaum einer: das so viel beschworene “einfache Leben” zu leben. (Manche Segler mögen noch so leben.) Hinter dieser Tür zur STORSTUA (Große Stube) verbirgt sich nichts anderes als ein ganz einfaches Plumpsklo mit zwei(!) Sitzen.

Wie schon gesagt: Kjell Fjörtoft hatte den Stromanschluss für das Haus verweigert, als das Kabel von Senja zum Leuchtfeuer verlegt wurde. Sicher nicht aus Geldmangel sondern in der Einsicht, dass es zu einer grundlegenden Verfälschung des Lebens in seinem Paradies führen würde. (Es gibt auch ohne Stromanschluss schon genug Modernisierungen, wie ein Mobiltelefon mit Solarzellen oder Bier, wenn auch warm, aus Dosen.)

 


 

Bei dem trockenen Wetter kann ich nun nachholen:

Ein Spaziergang über die Insel.

Es wird eine ziemliche Kletterei. Zum Leuchtturm zu “wandern” stellt sich, bei der Varde angekommen, als unmöglich heraus. (Es gibt sicher einen Weg an anderer Stelle.)
 

 

 

Auf halber oder drittel Höhe angekommen hat man etwa den Blick, den man aus der Wohnstube im Haus, über Langholmen hinweg, auf den gegenüberliegenden Baltsfjord hat, der nach dem 782 m hohen Berg Balten benannt ist. (Der höchste Gipfel im Bild.)
 

 

 

Blick über den Hekkingen Sund in Richtung Malangen (die große Wasserfläche im Hintergrund).
 

 

 

Blick nach Nordosten. Die große dunkle Insel ist Haaja. Die kleine markante Insel im Hintergrund kann ich nicht zuordnen, sie muss außerhalb der Strecke liegen, die ich ab Torsvaag gewählt habe.
 

 

 

Blick nach Westen. Links Senja. Unterhalb der Stelle, an der der ich stehe, der einzige auf den Seekarten verzeichnete Ankerplatz bei Hekkingen.

 


 

 

Nach dem Kletterspaziergang über den begehbaren Teil der Insel betrachte ich mir noch einmal das Haus, in dem mir jeder uralte Stuhl und jedes gut 100 Jahre alte Bett gezeigt und deren Vergangenheit beschrieben wurde. (Und ich bin sicher, jeder andere vorbeisegelnde Fremde wäre ebenso freundlich von Fjörtoft empfangen und bewirtet worden.)

Selbst wenn man es zu einem Museum machen würde, es wäre nur noch ein entseelter Abglanz seiner selbst, voller “Krempel”, dessen Bedeutung und Wert  kaum noch jemand kennen und schätzen würde.

OK, Häusern eine Seele zuzuschreiben, geht etwas weit. Aber der Verbindung aus Haus und Besitzer eine Seele zuzubilligen ginge vielleicht schon.
 

 

 

Mein Fazit nach diesem Besuch der Insel und der abermaligen Lektüre von “Min Öy i havet”:

Ein Paradies kann man nicht kaufen.

Ich bin überzeugt: Auch für Spekulanten wird die abgelegene Felseninsel zu keinem ökonomischen Paradies. Und für eine prestigeträchtige Residenz ist das Klima und die Lage einfach zu rauh. Bleibt also nur, es zu erwerben. (Goethes “was du ererbt von deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen” haben wir alle in der Schule gelernt.) Und dazu gehört schon ein sehr ausgefallener Charakter, der nicht nur die Einsamkeit der Lage und die Rauheit des Klimas aushält, sondern in ihnen auch noch eine sinnvolle Tätigkeit ausführen kann. (Fjörtoft hat hier drei seiner 19 Bücher geschrieben.)

Mit anderen Worten: Hekkingen ist - wie eine Zeitung titelte - ein Fjörtoft-Paradies; kein  Paradies an sich. Die Insel selbst hat zwar auf Grund ihrer Lage und Geschichte einen prestigeheischenden Namen, ist emotionslos betrachtet aber ein schlecht zu nutzendes Stück Land, das eigentlich ein Naturreservat für Seevögel und kreative Einsiedler sein sollte. (Das Wort Stiftung kommt mir in Anlehnung an die Stockholmer “Schärengartenstiftung” immer wieder in den Sinn. Aber das ist Schweden.)

 

 

Zum vorherigen Kapitel / Previous chapter 

Nach oben / Top of page (chapter)

weiter zum nächsten Kapitel / Next chapter

 


Zuletzt bearbeitet / korrigiert / erweitert / Verweise (links) getestet am: 1. November 2006