© Holger Melms
2003-2007

 

 

 

Die Insel Loppa

 

Es würde mich mal interessieren, warum die Namen fast aller norwegischen Inseln auf “Öy” oder “Ö” - dem norwegischen Wort für Insel - enden, während diese Endung bei einigen wenigen fehlt, z.B. “Hekkingen”, “Myken”, “Lovund”, “Utsira”. Ich vermute mal ganz simpel, dass diese Inseln vor, sagen wir 500,  Jahren die wirklich wichtigen, jedermann vertrauten Orte entlang der Küste waren.

Heute ist “Loppa” sowohl der Name einer Insel als auch einer in Öksfjord residierenden Gemeinde.

 

 

17. Juli 2006  01:26  Westlich Loppakalven + Loppa

Zu erkennen ist (von links nach rechts) die Südküste der weit entfernten Insel Söröya, drei “Teile” von Loppa, die Insel Loppakalven und “zweimal” die dahinter liegende Insel Silda.

Direkt von Westen kommend ist die Insel Loppa kaum genau zu erkennen, da ihre Silhouette merkwürdig zergliedert ist.
 

 

 

Ich wusste, was mich in Loppa erwartet: ein klitzekleiner Hafen hinter einer kurzen Mole, dicht gedrängt belegt mit Booten an Bojen, ein für mich auch mit allen Tricks nur bei Hochwasser benutzbarer Fährschiffkai (rutebåt) sowie dieser riesige Verladekai mit seiner - mittlerweile leider ramponierten - Wand aus fünf Reihen Autoreifen.

Der Verladekai ist deshalb riesig, weil hier die Schiffe zum Abtransport des Schiefers anlegten, der im Norden der Insel abgebaut wurde. Und damals - vor ??? Jahren - gab es noch keine Mole zum Schutz der vertäuten Schiffe.

Dieses Jahr wollte ich als erstes mit dem Rad zu dem Steinbruch fahren, den ich in den Dimensionen des Verladekais erwartete.  

 

Der größte Teil der Insel ist als Sommerweide für 500 Schafe eines Viehzüchters aus Alta verpachtet. Loppa-eigene Schafe gibt es seit ??? nicht mehr, aber noch viel gutes Weideland.

Man pinkelt nicht, wenn man fotografiert wird!

Diesen Schafen hat die Evolution auch vergessen mitzuteilen, dass das “Düngen” einer Asphaltstrasse diese weder wachsen lässt noch sie repariert.

Mit anderen Worten, man wandert/radelt diesen bequemen Weg im Rösselsprung-Verfahren.

Irgendwann endet der Weg an einer Baracke, an der auch die Stromkabel endeten. Und der enorme Steinbruch?

 

Das Ende des Steinbruchs soll gekommen sein, als sich herausstellte, dass man in dieser Unwetterecke unmöglich im Winter arbeiten kann. Die Konkurrenz in Alta hat es da deutlich besser.

Die kleine flache Insel ist Mareholmen, die große höhere Insel ist Silda.

 

Das sind die einzigen “vorindustriellen” Geräte, die im Bereich des Abbaugebietes zu sehen sind. Nach großer Effizienz sieht das nicht aus, wohl aber nach viel Handarbeit. Die Qualität der grauen, unscheinbaren Steinplatten soll aber gut gewesen sein. Die Belegschaft soll aus 8 bis 10 Arbeitern, die aber nicht von der Insel stammten, bestanden haben.

Wahrscheinlich erfüllte sich auch hier die Hoffnung, neue Arbeitsplätze auf einer uralten Fischerinsel zu schaffen, nicht.

Heute ist Loppa eine reine Urlauber-Insel. Nur zwei Männer harren - wie schon 2003 - hier im Winter aus.

 

Das Wetter in Norwegen würde ich einteilen in: klares Sonnenwetter, Wetter mit Fernsicht, Wetter mit Höhensicht.

Auf die Sonne kann man (wie hier) notfalls verzichten, evtl. noch auf die Fernsicht. Wenn die Höhensicht bei 200 m oder weniger endet, wird es öde.

Blick vom Nordteil der Insel zum Festland im Süden.

Als Urlaubsinsel hat die Insel einiges zu bieten: sehr viel Platz zum wandern, ihre Lage im Nordmeer mit freier Sicht auf die 24-Stunden-Sonne, Sanddünen, relativ gute Verkehrsanbindung.

Aber wo (preiswert) wohnen, wo ein kleines Café oder Kiosk?

 

Im Hintergrund der heutige  Hafen von Loppa. Die wenigen Häuser bilden den “Ort” Mevaer. Das Zentrum der Insel Loppa lag früher hinter dem (grünen) Hügel mit der Kirche, dem Hafen und dem Gutshaus.

Zumindest gibt es die ersten Investitionen, auch wenn gewisse Rückschritte in Kauf genommen werden müssen: auf einem Foto von 2004 hatte dieser Stuhl noch eine Lehne.

 

Als leidenschaftlicher Anhänger der 5-Tage-Wetterprognosen war es mir vergönnt, die lange Strecke von Tromsö bis Loppa (17 Stunden für die PHINE) bei ruhigem Wetter zu schaffen. Seit meiner Ankunft waren nun einige Stunden vergangen. Bevor das Mistwetter einsetzt, wollte ich noch ein paar Fotos des Gutshauses und seiner Umgabung machen.

 

Im Hintergrund die Insel Söröya. Irgendwo im Dunst liegt dort hinten der Hafen Hasvik.

Der Weg dorthin führt am - neuen - Hafen vorbei. Hier bei Mittelwasser. Bei Niedrigwasser bilden sich ausgedehnte Wattbereiche. Rechts der Verladekai, links der niedrigere Fährbootkai.

 

Abstand zum Aufnahme-Standpunkt ca. 120 m. Und dann noch mit einem 24 mm starken Weitwinkel aufgenommen.

“Ich hab’ Angst, ich will auf den Schoß ...”

muss mein (rotes) Beiboot bei der ersten richtigen Sturmbö gefühlt haben. So fand ich es bei meiner Rückkehr im Cockpit, hatte aber keine Zeit, es aufzunehmen. Erst bei der Auswertung meiner 10-Megapixel-Fotos fand ich dann, dass ich es mit dem vorhergehenden Foto dabei beobachtet hatte, ins Cockpit zu klettern.

 

Das Bild ist eine Ausschnittsvergrößerung und stark bearbeitet.

Der “Ort” Loppa (auf der Insel Loppa in der Gemeinde Loppa) präsentiert sich dieses Jahr trotz des tristen Wetters viel freundlicher, d.h. aufgeräumter, als ich es von 2003 in Erinnerung habe.

Hier ist etwa ein Sechstel aller Privathäuser der Insel zu sehen.

 

 Dann folgen eine Reihe sorgfältig gepflegter und liebevoll beschrifteter Gebäude, die ich nicht recht zuordnen kann.

 

Ich meine mich zu erinnern, dass 2003 dieses Gebäude noch mit “Sommer-Café” oder so ähnlich beschriftet war.

Am alten Hafen* steht ein phantasievoll umgebauter großer roter Schuppen, der offensichtlich als Museum oder ähnliches verwendet wird. Der Blick durch das Fenster läßt eine Mischung aus Restaurant oder Café und Museum vermuten.

 

Dieses Gebäude steht wahrscheinlich auf dem Platz, auf dem auch das auf mehreren Fotos abgebildete Haupthaus stand, dass 1944 zusammen mit der gesamten Bebauung der Insel von den deutschen Besatzern niedergebrannt wurde.

Oberhalb des “Museums” liegt dieses große weiße Gebäude. Dass es sich bei ihm um das ehemalige und wohl auch jetzige “Gutshaus” (hovedhus, also “Haupthaus” heisst es auf norwegisch etwas bescheidener) handelt, war mir klar. Aber niemend hatte mir etwas über seinen jetzigen Besitzer oder seine Verwendung erzählt. (Aus den Chroniken* wusste ich eine ganze Menge über seine Besitzer bis 1944.)

 

Eine “offene Gesellschaft”

In meiner Jahreseinleitung hatte ich Florida erwähnt. Wäre ich dort mit einer Kamera “im Anschlag” herumgelaufen (engl. “herumgelungert”) und hätte neben den Häusern der Wohlhabenden auch noch durch ein Fenster fotografiert, ein Polizei-Aufenthalt wäre mir sicher gewesen. In der ebenfalls erwähnten Türkei wäre es mir wohl ähnlich ergangen.

Hier geschah folgendes: ein Mann, vermutlich ein jüngerer Fischer, hält mit seinem kleinen Trecker neben mir und sagt: “Go to the white house and ask for a cup of coffee!” Ich verhalte mich ziemlich begriffstutzig, so dass er schon fast unwirsch seine Worte wiederholen muss. Also gehe ich zur Tür und klopfe.

Ein älterer Herr öffnet und ich sage zur Erklärung, der junge Mann dort hat mir gesagt, ich solle hier klopfen und und würde eine Tasse Kaffee bekommen. “Ok, komm rein.”

Mir ist schon klar, dass ich es mit dem “Gutsherrn” zu tun habe, weiss aber dennoch nicht, wer er ist und wer der Mann auf dem Trecker ist. Also stelle ich eine Reihe höflicher aber direkter Fragen und werde ebenso direkt befragt: “Wer bist Du, was hast Du im Leben gemacht, hast Du Kinder?”

Zum fotografieren kommen ich nicht mehr, denn Bericht reiht sich an Bericht: Sweim, der wie versprochen schnell einen Kaffee kocht, war mit 28-Jahren jüngster U-Boot-Kommandant Norwegens, schreitet auf einem Foto neben dem norwegischen König, fuhr im Kalten Krieg Patrullie in der Barents-See, stammt aus dem abgelegenen Tana (Ost-Finnmark), war in Deutschland und Amerika im Dienst und baut gegenwärtig ein Modell der alten Kirche von Loppa.

Warum ich das erzähle? Weil ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, in Florida oder Oslo oder Berlin als Fremder so spontan eingeladen zu werden. Das soll auch als Erklärung dienen, warum es so faszinierend sein kann, zum dritten Mal durch eine regnerische, oft kalte und schwierig zu durchsegelnde Landschaft wie die Finnmark zu reisen. Und noch ein Vorteil in meinen Augen: wir quasseln keinen unverbindlich-höflichen Smalltalk-Brei und erzählen uns auch nicht, wieviel Dollar wir womit verdient haben, sondern wie z.B. unser Verhältnis zu unseren Söhnen ist.

Jetzt fehlt nur noch die Lösung der Frage, wer der “jüngere Fischer” auf dem Trecker war. Es ist einer der Söhne von Sweim, der mich nach dem Anlegen am Verladekai in seinem kleinen Boot in Fischerkleidung langsam umrundet hatte und sicher meinen Heimathafen “Hamburg” gelesen hatte. Und er wollte wohl seinem deutsch sprechenden Vater eine kleine Abwechslung verschaffen.

Dass aus dem Kaffee dann auf Grund der unbegrenzten Neugier des Gastes noch ein Abendessen mit Erbsensuppe und Jägermeister wurde, konnte er nicht ahnen.

Dafür konnte ich mich bei ihm mit einem ausführlichen Bericht über die Auswirkungen der - vermutlich sogar unzutreffenden - Beschuldigungen der Havarie-Kommission auf die Bevölkerung von Myken revanchieren. (1981 war die “Western” gesunken und das Urteil der damaligen Havarie-Kommission musste dieses Jahr auf Grund zu vieler Unstimmigkeiten für 7 Millionen Kronen neu aufgerollt werden. Und der vermeintlich “jüngere Fischer” ist der für alle Havarie-Kommissionen Norwegens Zuständige.)

 

 

 

 

 

 

 

 

Immer wieder ein besonderer Anblick: ein Hauch der großen weiten Welt in dieser menschenarmen Landschaft: die FINNMARKEN passiert Loppa auf dem Weg nach Süden.

 

 

 

 

Die letzte Stunde meines Besuches sitzen wir in der oberen Etage des “Museums”, das offensichtlich für kleinere oder größere Treffen eingerichtet wurde.

 

 Um 1 Uhr stehe ich wieder neben der Phine auf dem Verladekai. Vielleicht gibt das Foto eine Vorstellung davon, wie tief ich hinabklettern muss.

 Wer hier abrutscht und ins 8 Grad kalte Wasser fällt, hat ausgesorgt.

Unter den Fischern soll es einige Unglücke dieser Art gegeben haben, was auch als Grund angeführt wird, dass Schwimmstege heute in vielen Häfen für die Fischer gebaut werden.

 

 

in Arbeit / under construction

 

 

 

 

Die Geschichte Loppas bis 1944 ...

... ist offensichtlich ein Auf und Ab mit der Tendenz zum Ab. (Gemeint ist die Insel, nicht die heutige Gemeinde.)

1685 und 1990 befuhren zwei königliche Kommissionen die Finnmark. Ergebnis: mit Wirkung zum 1.1.1692 wurde die Finnmark in 7 Distrikte geteilt; einer davon war Loppa. (Die anderen in der West-Finnmark: Hasvik, Hammerfest und Alta.) Der Handel in diesen Teilen wurde für jeweils 6 Jahre für 371 rdlr (Reichstaler?) an Handelshäuser in Bergen verpachtet. 1714 ging die Firma Pleite, mit Außenständen von 61.348 rdlr. Der Handel mit der Finnmark war also riesiges Verlustgeschäft.

1715 wurde der Handel in der Finnmark freigegeben. Es soll eine gute Zeit gewesen sein. Aber bereits im Mai 1729 wurde wieder der Monopolhandel eingeführt. Diesmal waren es 3 Grossisten aus Kopenhagen, die den Zuschlag erhielten. Nach 12 Jahren kündigten sie den Vertrag auf Grund hoher Verluste.

1741 bis 1746 wurde der Handel “Königsmonopol” und endete mit einem Verlust von 22.679 rdlr für die Kasse seiner Majestät.

Es folgen eine “Isländische Kompanie, wieder der König und ab 1764 wieder ein Handelskompani aus Kopenhagen mit einem 20-Jahrs-Vertrag. Nach 9 Jahren (1773) bitten sie um Auflösung des Vertrags - zu hohe Verluste. Nun will keiner mehr die Rechte des Monopolhandels.

Wieder der König, wieder Kommissionen. Aber man ist in Kopenhagen entschlossen, die Verhältnisse in der Finnmark zu verbessern. (Es ist auch die Zeit der Aufklärung und die französische Revolution steht ins Haus; ein Hinweis, den ich bei meinem Besuch in Skaanland erhielt.)

Bisher ist seit Jahrhunderten der König bzw. der Staat der Eigentümer allen Grund und Bodens hier oben. Ab 1775 kann Grund für Wohnplätze erworben werden. Es werden eine Reihe weiterer Neuerungen eingeführt, u.a. werden Stellen für Distrikts-Chirurgen ausgeschrieben.

Ab dem 1.6.1789 ist der Handel wieder frei.

 

1937 kaufte der Staat S.302 mitte

Bei Kriegsausbruch April 1940 hatte Lopa eine 2-teilige Schule mit 18 Schülern. S.331

Meine Quelle: LOPPAS HISTORIE Bygdebok for Loppa Kommune Ohne Jahr (Wahrschlich 1982) ISBN 82-990963-0-8

Utgitt av Loppa Kommune

Autoren: Leonhard Gamst og Harald Samuelsberg

 

Die Geschichte Loppas nach 1945 ...

 

... beginnt auf einem “Ground Zero”.

Das alte Besitz-System wird weiter liberalisiert, so dass auch Privatpersonen den Grund und Boden erwerben können, auf dem sie ihre Häuser bauen.

(* Seite 303: Også delar av Bergsfjord og Loppa ble regulert i forbindelse med genreisning.)

1950 wird in Loppa auf Loppa das Schulgebäude (als erstes in der Gemeinde) wieder aufgebaut. (* S.335)  (Bergsfjord erst 1959, es gab wohl geeignete Ersatzgebäude.)

Kirchen auf Loppa ab S.370.

S. 384 371 375 453 foto

deutsche in loppa S.496

Cafés S.255

 

Von dem, was man sehen kann, wurde die Kirche an neuer Stelle mit kleineren Dimensionen wieder aufgebaut. Das Gutshaus (hovedhus) wurde ebenfalls wieder aufgebaut. Ein neuer kleiner Hafen mit zwei Molen wurde gebaut.

1961 wurde eine Straße von Loppa-Kirche bis Yttervaerdalen fertig. Diese Straße wurde 1965 bis zum Schieferbruch verlängert.

Starke Abwanderung in den 60- und 70er Jahre von Loppa zum Festland.

 

1991 bietet der damalige Besitzer des “Guts”, Soelberg, dieses der Familie Bertéussen zum Kauf an*. Der neue Besitzer betreibt weiter die Poststelle und den Landhandel, stellt diesen aber 1996 ein, da es kaum noch Kunden auf der Insel gibt.

 

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Zuletzt bearbeitet / korrigiert / erweitert / Verweise (links) getestet am: 1. November 2006