By Holger Melms
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Ohne hier nachzuschlagen ist wie Essen ohne Messer und Gabel (und ohne Löffel)
Nordkapp von Osten gesehen, dahinter Knivskjellodden, der nördlichste Punkt
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Grense Jakobselv

elv = Fluss

im Internet     Jarfjordfjell

 

Karte 3

 

Dieses Kapitel ist der Erkundungstour 2004 entnommen.
 

 

 

Gegen zwei Uhr nachts passiere ich die enge Mündung des Grenzflusses auf dem Weg zu der Mole am Kobbholmfjord.

Am nächsten Tag entdecke ich, dass der Ort ein bekanntes Reiseziel (für Ausländer) und ein beliebtes Ausflugsziel für Einheimische ist. Ich war bis dahin ausschließlich auf meine “letzte Mole vor Russland” fixiert.
 

 

 

Die Mole erwies sich als unbrauchbar für mich. Aber für kleinere Boote gibt es hier eine Art Bootsklub, deren Mitglieder (aus Kirkenes?) angefahren kommen und den Strand hinter der Mole als Slipp benutzen.

Der Blick geht über den Kobbholmfjord in Richtung Westen.

Nachgetragen: Laut einer Auflistung unter “Moloanlegg” stammt die Mole von 1944, wurde also im Krieg von den Deutschen gebaut. Vermutlich um mit Landungsbooten Material für den Aufbau der Anlagen herbeizuschaffen.
 

 

 

Es ist Pfingstsonntag (30. Mai), ein angenehm sonniger Tag. Am Strand wird gefeiert und vereinzelt spielt ein Kind im Sand. Oben auf dem Berg wachen - möglicherweise nur elektronisch - unsere amerikanischen Freunde über das NATO-Territorium.

Wozu es die Stummelmole gibt, ist mir nicht ersichtlich.

 

 

Die an mehreren Stellen aufgestellten Tafeln befriedigen meine Neugier. So erfährt man wenigstens etwas darüber, welche Bedeutung der Ort einmal hatte.
 

 

 

Ein 60 km Blick zur Südküste der Varanger-Halbinsel. Grob beschrieben liegt dort drüben am linken Bildrand Vadsö, am rechten Bildrand (von Kiberg verdeckt) Vardö.

Die gelben Stangen markieren die Grenze zwischen Norwegen und Russland. (Der genaue Grenzverlauf ergibt sich erst aus der unten abgebildeten Karte.)
 

 

 

Der Mündungsbereich des Jakobselv mit einem gelben norwegischen Grenzpfosten. Die Grenze verläuft entlang der tiefsten Stelle des kleinen Flusses, laut der folgenden Karte dicht am linken, russischen Ufer.

Während des kalten Krieges war dies die einzige unmittelbare Landgrenze in Europa zwischen der NATO und der damaligen Sowjetunion.
 

 

Mit Genehmigung des Grenz- kommissariats.

Diese Grenzverlaufskarte des Grenzkommissariats kann die Entwicklung des unteren Jakobstals veranschaulichen:

  • Vor 1826 gab es hier keine Grenze, die Samen konnten sich mit ihren Rentieren frei bewegen, um den Preis, dass sowohl die russischen wie die norwegischen Statthalter von ihnen Steuern eintrieben.
     
  • Bis zur russischen Oktober-Revolution (1917) blieb die Grenze eine bloße Linie auf der Landkarte. Beide Seiten des Flusses wurden genutzt. Das Verhältnis mit Russland war - im Prinzip - freundschaftlich.
     
  • 1920 zwackte sich Finnland ein Stück russisches Territorium ab (Petsamo, Zugang zur Barentssee) und wurde der neue Nachbar. Alles blieb beim Alten.
     
  • 1944 kamen die Russen als Sieger zurück (Finnland verlor seine “Erwerbungen” von 1920).
     
  • Zur Verblüffung der traditionell russisch freundlichen Finnmark-Bevölkerung wurde die Grenze verrammelt und das Tal halbiert.
     
  • Der Kalte Krieg ist vorbei, aber das Tal ist immer noch halbiert.

 

 

Wenn ich die Hinweistafel nicht falsch interpretiere, sind das Reste der deutschen Besatzung. Interessant ist eigentlich nur, dass sie sich erst im Juni 1944 zu einer Befestigung entschlossen. Der Ort war abgelegen und ohne große strategische Bedeutung. Bereits am 15. Oktober desselben Jahres traten sie den Rückzug an.

(Mit einem Stativ oder einem Tele ab 200 mm hätte ich hier - laut Hinweistafel - nicht fotografieren dürfen.)
 

 

 

Man kann sich gut vorstellen, dass hier, hinter der engen Mündung (jenseits des linken Bildrandes) früher ein geschützter Hafen für Fischer lag. (Bei starker Brandung war dann die Einfahrt das Problem.)

Ich stehe oberhalb der König-Oscar-Kapelle, die ihr in jedem Norwegen-Reiseführer und in jedem Finnmark-Prospekt abgebildet findet. Das kleine weiße Haus ist die Prestestua, die aber so gut wie nie als Pfarrhaus genutzt wurde.
 

 

 

Kapelle statt Kanonenboot

Auf einer der Hinweistafeln wird erzählt: “Nach der Grenzziehung 1826 kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen norwegischen und (andersgläubigen) russischen Fischern. Der Amtmann von Finnmark ersuchte mehrmals um ein Kanonenboot, dass vor der Flussmündung kreuzen sollte. Ein norwegischer Marineoffizier schlug statt dessen eine (protestantische) Kirche als kulturellen Grenzschutz gegen Osten vor.

Die Kapelle wurde 1869 geweiht. (Der schwedisch-norwegische) König Oscar besuchte die Kapelle 1873 und wollte seinen Namen mit dem Gebäude in Verbindung bringen.

Das Bild ist aus dem Buch von J. A. Friis “Die Reise des Königs Oscar 2. durch Nordland und Finnmark im Jahre 1873” und zeigt den König mit seinem Gefolge vor der Kapelle.”
 

(meine Einfügungen)

 

Die restaurierte “Prestestua” und, im Hintergrund, die steinerne König Oscar II Kapelle.

Die Grenzvereinbarung von 1826 erfolgte zu der Zeit, als Norwegen - bis 1905 - von Schweden-Königen in Personalunion regiert wurde.
 

 

 

Zehn Kilometer von der Mündung entfernt verlässt die Straße nach Kirkenes das sich verengende Flusstal. (Ein Grenzkontrollweg führt noch weiter flussaufwärts.)
 

 

 

 

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Jarfjordfjell

 

Obwohl der höchste Punkt der Straße über das Fjell bei nur 190 m liegt, ist es eine Fahrt durchs Gebirge. 100 Höhenmeter scheinen einen Monat Verzögerung des Sommers zu bedeuten.

Ich hatte auf Grund der verstreuten Ferienhütten und abgestellten Pkw den Eindruck, die Einheimischen lieben diese malerisch raue Gegend zum Jagen, Fischen und Wandern.

Die Straße, die an einem halben Dutzend Seen entlang führt, ist von November bis Mai gesperrt. Wer in diesen Monaten zur Grenze will, braucht ein Schneemobil (und wohl auch eine Genehmigung zu dessen Benutzung).
 

 

 

Vom Grenzfluss kommend ist der erste See schon mit dem Auftauen seiner Winterdecke beschäftigt.
 

 

 

Die hohen Schneeverwehungen sind ein Problem, dem man mit dieser einfachen Form des Straßenbaus nicht Herr wird.*
 

* Nordkynveien

 

Der nächst höher gelegene See hält seine Eisdecke noch geschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

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Grense Jakobselv im Internet

 

 


Wurmfortsatz Jarfjordfjell
 

 

Warum hat Norwegen diese merkwürdige Ausbeulung östlich von Kirkenes?

In der WIKIPEDIA für Boris Gleb finde ich die Erklärung:

“Grensen mellom Norge og Russland ble endelig fastlagt som en del av Grensekonvensjonen av 1826 mellom Sverige og Russland. Fra 1500-tallet var Varangerfjorden regnet som grensen mellom de to riker, mens det indre av landet ikke var formelt delt. På grunn av den historiske tilknytningen til Russland ble området rundt Boris Gleb lagt til Russland, selv om dette lå på "norsk" (vestre) bredd av Pasvikelven. Som kompensasjon ble området mellom nedre del av Pasvikelven og Grense Jakobselv lagt til Norge.”

 

Im Tausch gegen das Gebiet um Boris Gleb, das die Russen haben wollten.

Exkurs “Petsamo”

 

Was es mit Petsamo auf sich hat, habe ich so im Laufe der Jahre am Rande mitbekommen. Beim Stöbern in der WIKIPEDIA traf ich dann auf diese betextete Karte, die ich zunächst für einen Scherz hielt:

 

Stichworte: “Frieden von Dorpat”; “Finnische Ostkriegszüge”

GNU Lizenz der WIKIPEDIA

Finnland und Russland vor den finnischen Ostkriegszügen 1920-1922

  • Beige: Finnland in den Grenzen von 1917
  • Rot: Russland
  • Hellrot: Von Finnland erhoffte Gebietszuwächse

 

Ziel der Übung sollte sein, eine möglichst kurze Grenze mit Russland zu bekommen.

Mein hoffentlich politisch korrekter Kommentar: Asterix und Obelix müssen finnische Vorfahren gehabt haben.

 

 

 

 

 

Auf jeden Fall ...

... wäre ein Verzicht auf die Fahrt zum Jakobsfluss eine schwere “Auslassungssünde” gewesen.

November 2008

 

 

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05.11.2008

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